Interview mit einem Träger eines Cochlea Implantats

Die Sichtweise der Betroffnen und Träger solcher Technologien weckte unser Interesse. Im Rahmen unserer Recherche ergab sich die Chance ein Interview mit einem befreundeten Studenten der Jade Hochschule zu führen, welcher Träger eines Cochlea-Implantetes ist:


Interview mit einem Betroffenen

Verfasst von Maximilian und Björn

1. Hallo, stell dich doch kurz einmal vor. Was machst du momentan?
„Mein Name ist Thomas und bin momentan als Student an der Jade Hochschule im Fachbereich ‚Hörtechnik & Audiologie’ tätig.“

2. Du trägst ein Cochlea-Implantat, seit wann?
„Im April 2006 wurde ich links versorgt und im April 2007 rechts.“

3. Wie kam es dazu, dass du dich für das Implantat entschieden hast?
„Aufgrund meiner immer schlechter werdenden Hörsituation hatte ich irgendwann Probleme, dem Lehrer in der Schule zu folgen. Selbst an meinem Musikempfinden war ich am zweifeln, wobei Musik doch meine Leidenschaft ist.“

4. Du trägst ein einseitiges Implantat, wann werden zweiseitige eingesetzt?
„Ich wurde ein Jahr später auf der anderen Seite operiert. Dies geschah aus dem Grund, dass die Harmonie zwischen Cochlea-Implantat und Hörgerät nicht vorhanden war.“

5. Nach der OP kann es sein, dass ein vorhandener Hörrest vollständig verschwindet. Wie war das bei dir?
„Ein paar Monate nach der Versorgung hatte ich auf beiden Ohren noch ein Restgehör im Tieftonbereich. Jedoch ließ das auf dem linken Ohr innerhalb von 2 Jahren stark nach. Auf dem rechten Ohr kann ich noch einige tiefe Klänge erahnen. Sprachverständnis ist aber nicht vorhanden.“

6. Hattest du Probleme nach der OP?
„Ich hatte nach der OP keine Probleme mehr.“

7. Wer hat die Reha und das Hörtraining bezahlt?
„Das hat die Krankenkasse übernommen.“

8. Erfährst du damit irgendwelche Einschränkungen im Alltag?
„Die einzige Einschränkung habe ich in einer geräuschvollen Umgebung. In Kneipen o.ä. ist es sehr anstrengend, dem Gespräch einer bestimmten Person oder Gruppe zu folgen. Dies ist jedoch von der Alltagssituation abhängig. Habe ich einen stressigen Tag, so neige ich schnell dazu, nicht auf akustische Signale in der Umgebung zu reagieren.“

9. Kannst du mit dem Implantat schwimmen?
„Es gibt heute natürlich die Möglichkeit mit dem Implantat schwimmen zu gehen. Ich bin da aber etwas zurückhaltend. Ich mag es nicht, beim Schwimmen einen "Gefrierbeutel" am Ohr zu tragen. Außerdem genieße ich die Ruhe und Entspannung beim Schwimmen oder im Whirlpool.“

10. Wie reagieren deine Mitmenschen auf dein Implantat?
„Meine ehemaligen Mitschüler waren, aus meiner Sicht, immer etwas auf Abstand. Es kam keiner direkt auf mich zu und führte Unterhaltungen, wie es jeder normale tut. Man vermied also lange Unterhaltungen. Meine Familie und Bekannte sind hingegen offen für jedes Gespräch und meine Mitstudenten sowieso.“

11. Wie hat sich deine persönliche Wahrnehmung der Geräusche verändert im Alltag?
„Anfangs, direkt nach der Erstanpassung, war ich erst mal vom Klang irritiert. Ich hatte früher mit Hörgeräten noch einen guten Klang gehabt, nach dem ich mich orientieren konnte. Jeden Tag konnte ich einen Klang dem akustischen Objekt zuweisen und den Klang in mich gehen lassen. Der Klang an sich war Stunde um Stunde angenehmer, bis ich das Gefühl hatte, ich höre (vom Klang her) normal. Natürlich ist ein intensives Hörtraining notwendig. Ich habe viel Musik gehört, auch wenn es zunächst mies klang.“

12. Muss man diese Implantate warten? Wie groß ist der Aufwand dafür?
„Ich muss ehrlich zugeben, dass ich da etwas rücksichtslos bin, was das betrifft. Je nach Alltagsaktivität müssen die Cochlea-Implantate gereinigt werden. Für Menschen, die viel Sport treiben, so wie ich, ist der Aufwand natürlich größer. Nach jeder ‚Schweiß-Aktion’ sollten die Cochlea-Implantate in der Trockenbox getrocknet werden und alle paar Wochen muss der Mikrofonfilter ausgetauscht werden. Das mag für den ersten Augenblick nervig sein, aber man gewöhnt sich daran.“

13. Was kostet ein solches Implantat?
„Ich kann dazu keine genauen Zahlen sagen, aber im Vergleich kostet ein Implantat in etwa soviel wie ein neuer Mercedes Benz (ohne Operationskosten und REHA).“

14. Gibt es noch, sagen wir „High Tech-Modelle“, die den Basisversionen überliegen?
„Die Technik geht mit der Zeit. Ich persönlich trage das dritt-älteste Implantat. Mittlerweile gibt es schon wieder zwei neuere Modelle von der gleichen Firma. Allein durch die Technik und Signalverarbeitung in den Soundprozessoren kann kein super Gehör erzielt werden. Das gute Gehör macht die Verarbeitung der Wahrnehmungen im Gehirn aus. Allerdings war ich mit dem zweit-neusten Modell nicht zufrieden, da es bei hohen Pegeln leicht zu einer Übersteuerung kam.“

15. Hast du schon mal von der „Deaf-Community“ gehört?
„Ich habe mich bereits mit mehreren Gruppen auseinandergesetzt, die ebenfalls Cochlea-Implantate tragen. Selbst in einer Sportgruppe für Gehörlose war ich tätig. Ich tausche mich heute noch gerne mit Cochlea-Implantat-Trägern aus. Jedoch bin ich im Moment nicht in einer Community tätig. Ich forsche nämlich selber ein wenig in dem Bereich.“

16. Es gibt den Begriff „Deafhoof“, der das Taubsein als ein positives Lebensgefühl bezeichnet. Man geht sogar so weit, als dass bei gehörlosen Kindern bewusst auf das Cochlea-Implantat verzichtet werden soll. Was hältst du selber davon?
„Das ich für mich schwierig einzuschätzen. Zunächst muss selber jeder wissen, was gut ist. Ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen, wie es ist, nur taub zu sein. Meine Eltern haben dafür gekämpft, dass ich möglichst in der normalhörenden Welt lebe und ich bin froh darüber. Eine taube Person ist aus meiner Sicht von der Umgebungswelt abgeschnitten, da einige Kommunikationswege abgeschnitten sind. Es gibt natürlich die Gebärdensprache, jedoch beherrscht diese nicht jeder Mensch, so dass der Zugang zur normalhörenden Welt sehr begrenzt ist. Es gibt viele Situationen im Alltag, in denen man sich auf das Ohr verlassen muss (z.B. in der Stadt, an Verkehrswegen, Durchsagen im Zug/Bus/am Bahnhof usw.). Ich persönlich genieße an bestimmten Momenten oder nachts die absolute Stille, denn das kann auch sehr entspannend sein. Aber ich brauche die alltäglichen Geräusche und die Gespräche mit meinen Mitmenschen. Das ist für mich immer noch eine kleine Entdeckungsreise, besonders bei der Musik. Ich würde bevorzugen, dass bei jedem Mensch das Gehör so früh wie möglich ‚gerettet wird’. Je später das passiert, desto schwieriger ist es, das Gehör zu trainieren. Falls man doch Ruhe haben möchte, kann man die Cochlea-Implantate immer noch ausschalten.“

17. Würdest du dich jederzeit wieder für ein Implantat entscheiden? Oder gibt es Situationen, in denen du dir gut vorstellen kannst, auch ohne das Implantat bestens zurecht zu kommen?
„Ich würde mich auf jeden Fall wieder für ein Implantat entscheiden, da diese mir unmögliche Dinge möglich gemacht haben (neue Klänge/ Töne hörbar). Es gibt vielleicht ein bis zwei Situationen, bei denen ich gerne keine Cochlea-Implantate hätte und trotzdem etwas hören will: Im Sport und manchmal beim Motorradfahren, da sie unter dem Helm immer wegrutschen).“