Das Retina Implantat

Verfasst von Hendrik

Grundlagen

Unter dem folgenden Link finden sie zur Einführung in das Thema einen ausführlichen Bericht über das Retina Implantat:
http://www.youtube.com/watch?v=T1q5lysKw2Y

Wie funktioniert das Auge?

Das menschliche Auge ist in seiner Funktionsweise sehr komplex. Im Folgenden wird deshalb versucht, vereinfacht darzustellen, wie das Auge funktioniert, damit wir verstehen können, wie das Retina Implantat überhaupt funktioniert.

Die Grundlage zur Wahrnehmung eines Objektes ist das Licht. Die Lichtstrahlen der Sonne oder einer anderen Lichtquelle treffen auf ein Objekt und beleuchten dieses. Von der Oberfläche des Objektes werden die Strahlen reflektiert, also zurückgeworfen. Schaut man nun zu diesem Objekt, "fängt" das menschliche Auge diese reflektierten Lichtstrahlen vom Objekt ein, da diese in das Auge strahlen. Zuerst treffen die Lichtstrahlen im Auge nun auf die Hornhaut, wo sie gebrochen werden. Hinter dieser Hornhaut befindet sich die mit Wasser gefüllte Augenkammer, welche ebenfalls noch dabei hilft, die Lichtstrahlen zu brechen. Dahinter befindet sich die Linse, welche die Strahlen nun bündelt und auf die Netzhaut projiziert. Auf der Netzhaut (auch Retina genannt) entsteht nun ein Bild, welches zunächst spiegelverkehrt ist und über den Sehnerv weitergegeben wird und von dem Gehirn in Sekundenbruchteilen verarbeitet wird. Auf diese Weise kommt ein für den Menschen logisches Bild zustande. [1] [2] [3]

Für wen ist das Retina Implantat geeignet?

Das Retina-Implantat ist eine Art "Sehprotese" für sehbehinderte oder blinde Menschen. Es kann einen Teil der Sehstärke und Wahrnehmungsfähigkeit wieder herstellen, jedoch nicht das komplette Sehvermögen. Außerdem lässt sich das Implantat nur für Patienten verwenden, bei denen der Sehnerv, also der Teil, der Informationen vom Auge zum Gehirn überträgt, noch intakt ist. Die bekannteste Krankheit, für welche das Retina-Implantat Verwendung findet, ist Retinopathia Pigmentosa, kurz RP. Bei dieser Krankheit findet eine Netzhautdegeneration statt, was bedeutet, dass die Photorezeptoren auf der Netzhaut absterben. Diese Photorezeptoren wandeln das Licht in Nervensignale um und geben diese an das Nervengewebe weiter, welches die Signale an den Sehnerv weiter gibt. Die Netzhaut ist bei dieser Krankheit nicht mehr in der Lage, Bilder zu erfassen, jedoch bleibt die Verbindung zwischen Netzhaut und Sehnerv bestehen und funktioniert auch weiterhin. Hier kommt dann das Implantat zum Einsatz und dient als Prothese, um das Licht in Nervensignale umzuwandeln und weiter zu geben. [4] [5]

Funktionsweise des Retina Implantats

Das sogenannte Retina Implantat lässt sich in zwei verschiedene Ausführungen aufteilen, welche beide eine unterschiedliche Funktionsweise haben: Das subretinale Implantat und das epiretinale Implantat. Beim subretinalen Implantat wird die normale Funktion des Auges beibehalten und durch den Chip wiederhergestellt, beim epiretinalen Implantat hingegen kommt eine Kamera zum Einsatz, welche Bilder macht und diese an einen Chip sendet.

Das subretinale Implantat

Bei einem an Retinopathia Pigmentosa erkrankten Patienten gehen die Stäbchen und Zapfen, welche das Licht in Nervensignale umwandeln, zugrunde, das Nervengewebe der Retina (Netzhaut), welches die Informationen verarbeitet, ist jedoch noch intakt. Dies bedeutet, dass das Auge noch Bilder verarbeiten kann, aber durch die beschädigten Stäbchen und Zapfen kein "Input" mehr bekommt. [6]

Bei dem Konzept des subretinalen Implantats, werden die natürlichen Reize durch elektrische Signale ersetzt. Der subretinale Chip wird hinter der Netzhaut angebracht und befindet sich an der selben Stelle, an der sich zuvor die Photorezeptoren befanden. Auf dem Chip befindet sich ein sogenanntes "Photodioden-Array". Dies ist ein Array, bestehend aus vielen Photodioden. Diese Photodioden sind Dioden, welche sichtbares Licht in kleine elektrische Impulse umwandeln können. Diese Impulse werden abhängig von der Stärke der Lichtstrahlen in einen entsprechend starken Impuls umgewandelt. Des Weiteren gehört ein Stimulations-Elektroden-Array zum Chip. Diese Elektroden wandeln die kleinen elektrischen Impulse des Photodioden-Arrays in solche Signale um, dass diese das intakte Nervensystem der Netzhaut stimulieren. Dies führt zu einer Wahrnehmung beim Patienten. Dadurch wird es zwar nicht ermöglicht scharf zu sehen, dennoch wird es dem Patienten nun ermöglicht Lichtquellen zu orten und Gegenstände zu lokalisieren. [7] [8] [9]

Das epiretinale Implantat

Das epiretinale Implantat basiert auf einer anderen Funktionsweise als das subretinale Implantat. Es wird nicht hinter der Netzhaut, sondern auf der Netzhaut (epiretinal) angebracht.

Bei diesem Implantat wird das Bild, welches der Patient wahrnimmt, nicht im Auge selbst aufgenommen, sondern durch eine externe Kamera, welche sich meistens in einer Brille versteckt befindet. Das aufgenommene Bild wird nun in elektrische Signale umgewandelt, welche dann von der Kamera aus an das Implantat im Auge übertragen werden. Dies geschieht in der Regel drahtlos. Im Implantat befindet sich wie auch beim subretinalen Array ein Elektroden-Implantat, welches die empfangenen elektrischen Impulse an das Nervensystem weitergibt und so stimuliert. [10]

Vor- und Nachteile der beiden Implantate

Der größte Nachteil beim epiretinalen Implantat besteht darin, dass das Bild extern aufgenommen wird, und nicht wie normalerweise im Auge. Dies führt dazu, dass die natürliche Bewegung des Auges nicht mehr genutzt werden kann. Um die Blickrichtung zu wechseln, muss also der ganze Kopf bzw. die Kamera in die Richtung gedreht werden, in die man schauen müsste, anstatt nur das Auge selbst.

Ein Vorteil des subretinalen Implantats gegenüber dem epiretinalen Implantat ist die Tatsache, dass die Signalverarbeitung vom Auge selbst durchgeführt wird. Es wird nur geholfen, die Lichtstrahlen aufzunehmen und diese weiterzuleiten. Der Rest wird von den noch funktionierenden Organen der Netzhaut gemacht. Beim epiretinalen Implantat jedoch wird die komplette Verarbeitung der Signale elektronisch gemacht, was die gesamte Technik sehr komplex macht. Da der Chip auch vor der Netzhaut liegt, erreichen die Signale nicht einmal den vorderen Teil der Netzhaut, in welchem die Signale eigentlich verarbeitet werden. Es werden also nur Signale "nachgebildet", während beim subretinalen Implantat echte Signale im Auge bearbeitet werden. [11]

Die Geschichte des Retina Implantats

Die Geschichte

Im Gegensatz zu ähnlichen Implantaten, wie z.B. dem Cochlea-Implantat oder dem Herzschrittmacher, befindet sich das Retina Implantat noch in der Test- und Forschungsphase. Die Implantate befinden sich noch nicht für jedermann zugänglich im Handel, sondern stehen nur wenigen ausgewählten Test-Patienten zur Verfügung.

Pionier und Entwickler des subretinalen Implantats ist Professor Eberhart Zrenner, Professor für Augenheilkunde der universität Tübingen. Er begann Mitte der 1990 jahren ein elektronisches Netzhautimplantat zu entwickeln. Zusammen mit einer Gruppe weiteren Wissenschaftlern gründete er im Jahre 2003 die "Retina Implant AG", welche darauf spezialisiert ist Forschung und Tests am Netzhautimplantat durchzuführen. 2005 begann das Unternehmen erstmals eine klinische Versuchsreihe an lebendigen Patienten durchzuführen und konnte durch mehrere Studien an diesen Patienten auch gleichzeitig erste Erfolge nachweisen. Mehrere erfolgreiche Studien lassen sich im Internet nachlesen. So ist es erstmals gelungen, dass ehemals blinde Patienten mithilfe des Retina Implantats Lichtquellen wahrnehmen konnten. Die Erfolge wurden seitens der Retina Implant AG jedoch nicht als "Sehen" oder "Erkennen" bezeichnet, sondern eher als lokalisieren. So war es den Patienten z.B. möglich Lichtquellen, wie ein Fenster, zu lokalisieren. Außerdem konnten sie beispielsweise einen weißen Teller auf einem dunklen Untergrund erkennen. Diese neuen Fähigkeiten waren für einen Blinden ein riesiger Fortschritt, da es ihnen so ermöglicht wurde, sich in einer Umgebung zu orientieren und zurechtzufinden. Insgesamt 7 Patienten konnten in der Studie 2005 erfolgreich ein Implantat erhalten.

2010 begann die Retina Implant AG die zweite klinische Versuchsreihe und konnte weiteren Patienten ein bereits weiterentwickeltes Implantat einsetzen. Inzwischen ist die Technologie des subretinalen Implantats schon so weit vorangeschritten, dass der Patient Miikka T. bei einem Test in der Forschungszentrale in Tübingen mithilfe des Retina Implantats einen Apfel von einer Banane unterscheiden konnte und sogar seinen eigenen Namen aus Riesenbuchstaben lesen konnte. Gleichzeitig war es ihm möglich einen Rechtschreibfehler in seinem Namen zu entdecken. Im Juli 2013 erhielt das Retina Implantat der Retina Implant AG die CE-Kennzeichen und darf somit als medizinisches Gerät in Europa eingesetzt werden. Auf der Website der Retina Implant AG wird von dem aktuellen Implantat, für welches man sich als geeigneter Proband bewerben kann, behauptet, dass es mit diesem sogar theoretisch möglich sei Gesichter zu erkennen und eine Sehschärfe von 6% wieder hergestellt werden kann. [13] [14] [15] [16]

Unter dem folgenden Link lässt sich die Entwicklung und Geschichte des Retina Implantats genau nachverfolgen, von den Anfängen bis heute:
http://www.biolago.org/aktivitaeten-service/downloads/wtw-tag-2011/20_Wrobel__Retina_Implant_AGBiolago_Wrobel_Konstanz_Dez11.pdf/183/[12]

Eine weniger umfangreiche Geschichte verbirgt sich hinter dem epiretinalen Implantat. Es wird unter dem Titel "Argus" bzw. "Argus II" vertrieben und von der Firma Second Sight entwickelt. Gegründet wurde Second Sight im Jahre 1998, nachdem zuvor bereits seit 1991 diverse Forschungen stattfanden. Das erste Gerät, das "Argus", wurde 2002 entwickelt und anschließend an sechs Patienten getestet. Im Jahre 2006 wurde dann die Weiterentwicklung des Geräts, das "Argus II", erstmals in Mexico und anschließend an 30 Patienten in Europa und den USA getestet. [17]

Inzwischen wurde das ARGUS II Gerät offiziell zugelassen und ist auch in Deutschland verfügbar und wird an einigen ausgewählten Kliniken als Behandlungsmethode angeboten. [18]

Die Zukunft

Da sich das Retina Implantat noch in der Entwicklung befindet, ist für die Zukunft des Implantats noch alles offen. Die Forschungen laufen stetig weiter und immer wieder werden neue Erfolge gemeldet. Bisher ist es durch die aktuelle Technologie möglich bis zu 6% Sehschärfe wiederzubekommen. Dies lässt die blinden Patienten zwar wieder etwas erkennen, scharf Sehen ist jedoch auch mithilfe des Implantats nicht möglich. Hier gibt es sicherlich noch Möglichkeiten das Retina Implantat in der Zukunft zu verbessern. Im aktuellen subretinalen Implantat befinden sich ca. 1500 Photodioden, also ist es dem Patienten möglich mit 1500 Pixeln zu sehen. Zum Vergleich: Das menschliche Auge besitzt 120-130 Millionen Stäbchen und 6 Millionen Zapfen, welche es ermöglichen scharf zu sehen. Hier gibt es also noch viel Spielraum für die weitere Forschung, sodass es eventuell eines Tages möglich sein wird, einen blinden Menschen wieder richtig sehen zu lassen. [13]



Literatur


  • [1] Vgl. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/9/9b/Eye_scheme_mulitlingual.svg/500px-Eye_scheme_mulitlingual.svg.png
  • [2]Vgl. http://www.gesundheitsinformation.de/wie-funktioniert-das-auge.514.de.html
  • [3]Vgl. http://www.tk.de/tk/a-z-navigation/a/wie-funktionieren-unsere-augen-10005173/537040
  • [4]Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Retinopathia_pigmentosa
  • [5]Vgl. http://retina-implant.de/de/patients/technology/default.aspx
  • [6]Vgl. http://retina-implant.de/de/media/download/Files/schema_retina_de.jpg
  • [7]Vgl. http://retina-implant.de/de/media/download/Files/diagramm_chip.jpg
  • [8]Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Retina-Implantat#Das_Subretinale_Implantat
  • [9]Vgl. http://retina-implant.de/de/patients/technology/default.aspx
  • [10]Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Retina-Implantat#Das_Epiretinale_Implantat
  • [11]Vgl. http://retina-implant.de/de/patients/technology/default.aspx
  • [12]Vgl. http://www.biolago.org/aktivitaeten-service/downloads/wtw-tag-2011/20_Wrobel__Retina_Implant_AGBiolago_Wrobel_Konstanz_Dez11.pdf/183/
  • [13]Vgl. http://www.retina-implant.de/de/patients/faq/default.aspx
  • [14]Vgl. http://www.prnewswire.com/news-releases/retina-implant-ag-feiert-10-jahre-innovation-bei-der-suche-nach-moglichkeiten-zur-wiederherstellung-der-sehfunktion-von-menschen-mit-retinitis-pigmentosa-230943801.html
  • [15]Vgl. http://www.bio-pro.de/medtech/medizintechnik_in_baden_wuerttemberg/magazinbeitraege_zur_biomedizintechnik/index.html?lang=de&artikelid=/artikel/02094/index.html
  • [16]Vgl. http://www.retina-implant.de/de/media/download/files/06_03_21_Patientenbrief.pdf
  • [17]Vgl. http://2-sight.eu/ee/history
  • [18]Vgl. http://www.pro-retina.de/newsletter/second-sight-gibt-bekannt-argus-ii-ist-jetzt-in-deutschland-erh%C3%A4ltlich